Materialgemeinkosten
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Materialgemeinkosten: Erklärung, Berechnung und Beispiele

Unter die Materialgemeinkosten fallen alle Aufwendungen für Material, die nicht direkt auf ein Produkt umgelegt werden können. Dazu zählen beispielsweise die Beschaffungs- und Lagerkosten.

Was sind Materialgemeinkosten?

In jedem Unternehmen fallen Einzel- und Gemeinkosten an. Grundlage für die Unterscheidung ist die Vollkostenrechnung. Die Einzelkosten lassen sich direkt zu einer Dienstleistung oder zu einem Produkt zuordnen. Gemeinkosten lassen sich nicht direkt auf eine Kostenstelle im Unternehmen zuordnen. Ein klassisches Beispiel für Gemeinkosten ist die Miete für das Büro oder die Werkhalle. Sie fällt unabhängig von einem Produkt an. Sie werden anteilig auf die Kosten der Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens zugeschlagen. Gemeinkosten sind Verwaltungsgemeinkosten, Vertriebsgemeinkosten, Fertigungsgemeinkosten und Materialgemeinkosten. Die Senkung von Gemeinkosten kann die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens steigern.

Der rechtliche Rahmen

Den gesetzlichen Rahmen der Materialgemeinkosten regelte der Gesetzgeber im Paragraf 255 des Handelsgesetzbuches. Entsprechend dem Absatz 2, Satz 2 muss ein angemessener Teil der Materialgemeinkosten in die Herstellungskosten einbezogen werden. Dies ist erforderlich, um beispielsweise fertige Produkte für die Bilanz korrekt zu bewerten.

Materialgemeinkosten als Teil der Materialkosten

Wichtiger Bestandteil der Herstellungskosten sind die Materialkosten. Sie lassen sich in Materialeinzelkosten und Materialgemeinkosten unterteilen. Die Einzelkosten sind jene Aufwendungen für Material oder Rohstoffe, die direkt auf ein Produkt umgelegt werden können. Für ein Kleidungsstück könnte dies beispielsweise der benötigte Stoff sein. Kosten, die im Zusammenhang mit dem Material stehen, sich aber nicht direkt auf ein Produkt zuordnen lassen, heißen Materialgemeinkosten. Die Liste der infrage kommenden Kosten ist lang.

Teilweise werden Personalkosten den Materialgemeinkosten zugerechnet. Ein Einkäufer kauft meist nicht nur Material für ein Produkt. Wenn die Bestellung im Unternehmen ankommt, muss jemand der Eingang prüfen. Auch wenn heute Material oft Just-in-time geliefert wird, lässt sich häufig eine Lagerhaltung nicht verhindern. Es entstehen Lagerkosten, die Miete, Personalkosten für Lagermitarbeiter und Betriebskosten beinhalten. Das Lager benötigt Strom, eventuell sogar eine Klimatisierung. Die Regale und technische Gegenstände wie Gabelstapler verlangen eine regelmäßige Wartung. Außerdem verursachen die Abschreibungen auf Gegenstände und Gebäude Kosten.

Es ist eine Verwaltung nötig, die Bestände kontrolliert und gegebenenfalls nachbestellt. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können Transportkosten verursachen. Lager benötigen Versicherungen und nicht immer lassen sich Verluste durch Schwund vermeiden. Lager benötigen oft eine Heizung und Strom. Gemein ist diesen Kosten, dass sie unabhängig von der Zahl der im Unternehmen hergestellten Produkte anfallen.

Der Gemeinkostenzuschlag

Die Gemeinkosten müssen anteilig auf die einzelnen Produkte aufgeschlagen werden. Mit der Höhe der Gemeinkosten können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Ein Beispiel: Zwei Unternehmen verwenden einen Rohstoff zum gleichen Weltmarktpreis. Beide Unternehmen produzieren die gleiche Menge. Allerdings unterscheidet sich der Stromanbieter, was einem Unternehmen einen günstigeren Strompreis bringt. So muss das Unternehmen einen geringen Gemeinkostenzuschlag aufschlagen. Der Preis bleibt niedriger, was am Markt ein Wettbewerbsvorteil ist.

Zweites Beispiel. Strompreis und -verbrauch sind bei beiden Unternehmen gleich, aber ein Unternehmen produziert durch effizientere Maschinen eine höhere Stückzahl.  Dadurch verteilen sich die Stromkosten auf mehr Stück, was sich positiv auf den Preis auswirkt. Bei gleichem Verkaufspreis wirken sich niedrigere Gemeinkosten positiv auf den Gewinn aus. Ein höherer gewinn ermöglicht mehr Investitionen, die letztendlich ebenfalls zu einem Wettbewerbsvorteil werden können. Innovative Produkte haben oft eine hohe Nachfrage und sorgen für die Akzeptanz eines höheren Preises. Eine Möglichkeit, die Gemeinkosten zu erfassen und auf einzelne Kostenstellen zu verteilen, ist der Betriebsabrechnungsbogen.

Der Betriebsabrechnungsbogen

Der Betriebsabrechnungsbogen (BAB) ist besonders in kleinen und mittleren Unternehmen ein gutes Hilfsmittel, um die Gemeinkosten zu erfassen und auf einzelne Kostenstellen aufzuteilen. Zu den primären Kosten einer Hauptkostenstelle lassen sich die sekundären Kosten zuordnen. Nach der Erfassung der Kosten lässt sich der Zuschlagssatz ermitteln. Dazu werden beispielsweise die Lagerkosten ins Verhältnis zu den Materialeinzelkostenkosten gebracht.

Berechnung der Materialgemeinkosten

Die Berechnung des Gemeinkostenzuschlags ist bei allen Kostenarten gleich. Ein Posten der Materialgemeinkosten sind die Lagerkosten. Im BAB trägt der Angestellte nun alle Kosten ein: Gehälter für die Lagerverwaltung, Löhne für die Lagerarbeiter. Hilfs- und Betriebsstoffe können beispielsweise Reinigungsmittel sein, Kraftstoff für den Gabelstapler oder das Öl für die Hydraulik des Hubwagens. Auch Instandhaltungskosten und die kalkulatorischen Abschreibungen kommen hinzu. Die Summe bildet die primären Kosten des Lagers. Außerdem fallen sekundäre Kosten an.

Gemeinkostenzuschlag berechnen
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Diese werden zunächst als Hilfskostenstellen erfasst und später auf die verschiedenen Hauptkostenstellen verteilt. Nehmen wir an, dass das Lager 20 % der Gesamtfläche der betrieblichen Gebäude einnimmt, dann werden zu den Primärkosten ein Fünftel der Kosten zur Bewirtschaftung der Gebäude und gegebenenfalls der Miete als Sekundärkosten hinzugerechnet. Das gleiche Verfahren kommt beim Strom zur Anwendung. Auch hier erfolgt die Aufteilung auf die einzelnen Hauptkostenstellen. Die Gesamtkosten des Lagers werden ins Verhältnis mit den Materialeinzelkosten gesetzt.

Nehmen wir nun an, dass die Lagerkosten 50.000 Euro betragen und die Materialkosten 100.000 Euro, so ergibt sich ein Kalkulationszuschlagssatz von 50 %. Kostet das Material unseres Produktes als 3 Euro, so müssen Gemeinkosten von 1,50 Euro zugeschlagen werden. Der Materialpreis beträgt also 4,50 Euro. Werden der Materialgemeinkosten nicht zugeschlagen, ist der Preis für das Produkt am Ende zwar günstiger, am Ende decken aber die Umsätze nicht die Kosten. Über kurz oder lang wird das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, selbst wenn es rekordverdächtige Umsätze erzielt. Deshalb ist es wichtig, die Gemeinkosten auf die einzelnen Kostenarten zuzuschlagen.

Fixkosten und variable Kosten

Bisher haben wir uns mit Fixkosten beschäftigt. Dies ist korrekt, denn Fixkosten sind immer Gemeinkosten. Allerdings gibt es auch Gemeinkosten, die variabel sind. Beim Material dürfte dies eher selten der Fall sein, trotzdem ist eine Begriffsdefinition sinnvoll. Fixkosten ändern sich mit dem Produktionsausstoß nicht. Die Miete oder Gehälter sind von der Stückzahl unabhängig. Auf das Material bezogen: Ob im Lager 100 oder 1.000 Rohlinge liegen, ist egal. Das Lager muss unabhängig von der gelagerten Menge bewirtschaftet werden. Die Gesamtkosten bleiben gleich. Im Gegensatz dazu ändern sich variable Kosten entsprechend der Ansatzmenge.

In der Produktion könnte beispielsweise der Stromverbrauch abhängig vom Ausstoß variieren. Dies könnte die Fertigungsgemeinkosten beeinflussen. Aber gibt es auch variable Materialgemeinkosten? Wahrscheinlich selten, aber es gibt Möglichkeiten. Frachtkosten könnten ein solches Beispiel sein. Wenn die Frachtkosten entsprechend der georderten Stückzahl beim Material variieren, sprechen wir von variablen Kosten.

Materialgemeinkosten: Das Fazit

Die Berücksichtigung von Gemeinkosten entscheidet über den Erfolg eines Unternehmens. Der reine Materialwert bildet nicht den Aufwand ab, den ein Unternehmen durch den Einsatz eines Rohstoffes zur Herstellung eines Produktes hat. Viele Kosten, welche sich nicht direkt einem Produkt zuordnen lassen, müssen in der Kalkulation berücksichtigt werden. Unterbleibt dies, deckt der kalkulierte Preis die kosten nicht. In der Vollkostenrechnung wird deshalb auf Materialeinzelkosten ein Materialgemeinkostenzuschlag aufgeschlagen. Dieser errechnet sich aus dem Verhältnis der Materialgemeinkosten zu den Materialeinzelkosten.

Die Materialgemeinkosten sind alle mit dem Material in Zusammenhang stehenden Kosten, die nicht direkt einem Produkt zugeordnet werden können. Die Kenntnis über die Materialgemeinkosten ist auch für den Wettbewerb von Vorteil. Bei gleichem Materialeinsatz wird der Betrieb erfolgreicher sein, dem es gelingt Gemeinkosten einzusparen. Dies gelingt beispielsweise durch die effektivere Nutzung von Strom oder Lagerkapazitäten. Die Senkung von Gemeinkosten hat direkte Auswirkungen auf den Preis und/oder den Gewinn eines Unternehmens.

Weitere Anmerkung

Neben der vorgestellten Vollkostenrechnung gibt es die Deckungsbeitragsrechnung. Dabei werden die über die variablen Kosten (also die direkt auf das Produkt zuordenbaren Kosten) als Deckungsbeitrag genommen. Hat beispielsweise ein Betrieb für ein Produkt zwölf Euro Kosten und verkauft es für 20 Euro, erwirtschaftet er acht Euro Deckungsbeitrag. Dieser ist jedoch nicht der Gewinn. Aus ihm müssen Verwaltung, Lager, Marketing und alle weiteren Gemeinkosten bezahlt werden. Entscheiden für die Profitabilität ist der Break-Even-Point, die Gewinnschwellen Menge. Sie errechnet sich aus den fixen Kosten geteilt durch den Deckungsbeitrag pro Stück. Diese Rechnung ist besonders bei Unternehmen mit einem kleinen Sortiment beliebt.

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