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Industrie

Lebensmittellogistik: Wie Marken den D2C-Trend ausnutzen

Ein Jahresumsatz von über 150 Milliarden Euro macht den Lebensmittelmarkt zum wichtigsten Wirtschaftszweig der gesamten Bundesrepublik. Eine halbe Millionen Menschen arbeiten hierzulande in der lebensmittelproduzierenden Industrie. Die Logistik ist in dem von hohem Kostendruck geprägten Umfeld einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren. Während der Corona-Pandemie haben zahlreiche Lebensmittelhersteller den D2C-Trend für sich entdeckt. Welche Vorteile können Food-Marken bei Direktbelieferung ihrer Kundschaft erwarten?

Diese Herausforderungen prägen die Lebensmittelbranche

Die Coronakrise ist eine logistische Herausforderung. Während andere Branchen auf die krisenbedingten Veränderungen der Nachfrage mit prozessoptimierter eCommerce-Logistik und Automatisierung reagieren konnten, fällt genau das in der Lebensmittelbranche schwer. Der Food-Sektor zeichnete sich schon vor der Pandemie durch Herausforderungen aus wie

  • verderbliche Ware,
  • extrem volatiles Nachfrageverhalten,
  • sprunghafte hohe Lieferfrequenzen,
  • stetig steigende Sortimentsbreite im Supermarkt,
  • knappe Verkaufs- und Logistikflächen.

All jene Punkte erschweren dem Food-Sektor die Reaktion auf die logistische Entwicklung während der Krise. Marken brauchen gerade jetzt neue Strategien, um den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden und dauerhaft zu überleben. Während der Corona-Pandemie haben Verbraucher ein hohes Bedürfnis nach Transparenz entwickelt. Genauer als je zuvor wollen sie wissen, woher ihre Ware stammt und wo sie entstanden ist. Bei stetig gestiegenem Nachhaltigkeitsbewusstsein achten sie außerdem zunehmend auf direkte Lieferketten, um Transportwege dem Klimaschutz zuliebe zu reduzieren. Analog dazu hat der D2C-Trend Aufwind erfahren, also die direkte Lieferung von Marken an Kunden.

Schon allein wegen der Verderblichkeit angebotener Ware brauchen Lebensmittelmarken für D2C-Strategien Zugang zur Kooperation mit Lagerlogistik- und Fullfilment-Dienstleistern an verschiedenen Standorten. Experten zufolge werden sich Marken mit ausschließlichem Nahrungsmittelvertrieb über den Einzelhandel auch nach der Pandemie nur schwer behaupten können. Aufbauend auf Konsumententrends wie e-Commerce und Home-Delivery, Lieferketten-Transparenz und Regionalität werden sich Lebensmittelhersteller allmählich von der starken Einzelhandel-Konzentration lösen müssen.

Welche Vorteile hat das D2C-Konzept für Lebensmittel-Marken?

In Deutschland geht bislang mehr als die Hälfte aller Jahresumsätze auf dem Lebensmittelmarkt auf den Vertrieb über die fünf größten Händler Edeka, Rewe, Schwarz, Aldi und Metro zurück. Deren Sortimentsbreite hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erweitert. Bis zu 50.000 unterschiedliche Produkte werden mittlerweile in Supermärkten angeboten. Dadurch ist die Nachfrage für Lebensmittelmarken kaum noch prognostizierbar, weil variantenabhängige Bedürfnisse mitberücksichtigt werden müssen. Schon dadurch erhöht sich der Logistikaufwand. Die Nachfrage nach innovativen Logistik-Konzepten ist vor Hintergründen wie diesen stark gewachsen.

Zwar wird der Großteil aller produzierten Lebensmittel noch immer über klassische Strukturen im Einzelhandel vertrieben. Trotzdem beginnt der prozentual noch immer verschwindend geringe Anteil des e-Commerce am Gesamtumsatz der Lebensmittelbranche langsam anzusteigen. Durch die Digitalisierung entstehen neue Vertriebskanäle und innovative Geschäftsmodelle. Viele davon bedienen die Nachfrage nach Lebensmittellieferungen direkt an den Kunden. Solche Modelle stützen sich entweder auf filialbasierter oder zentrallagerbasierter Kommissionierung. Gemein sind beiden Konzepten Vorteile wie

  • direkte Kundenkommunikation, wodurch gewonnene Kundeninformationen über etwaige Medienkanäle präziser sind. Durch diese hohe Kundennähe gewinnen Markenhersteller verlässliche Daten zu Kaufverhalten und Kundenzufriedenheit.
  • größere Einflussmöglichkeiten auf die Markenwahrnehmung, wenn Hersteller Marketingbotschaften für einzelne Vertriebskanäle selbst konzipieren. Mit Feedback lässt sich das Marketing in diesem Fall direkter optimieren.
  • bessere Möglichkeiten für kundengerechte Angebote, die sich voll und ganz an den persönlichen Wünschen der Zielgruppe orientieren. Gerade in der D2C-Vertriebslogistik lässt sich hierbei das Auspackerlebnis durch VAS (Value Added Services) markenorientiert formen.
  • höhere Kontrolle über Vertrieb, Marketing und Kundenfeedback. Marken legen im Direktvertrieb außerdem Preise selber fest und können Konsumenten meist einen niedrigeren Preis anbieten als bei der Zusammenarbeit mit Händlern.

Heutzutage ermöglichen die technischen Fortschritte Herstellern auf relativ einfache Art und Weise den Aufbau von Online-Shops für D2C-Konzepte. So sind sie nicht mehr auf die Plattform von Zwischenhändlern angewiesen, wo es zu Verdrängungen durch die Eigenmarke des Händlers kommen kann. Flexible Cloud-Lösungen stellen derweil die Optimierung von Lieferketten und Lagerlogistik sicher.

Auch nach Corona ein Boom

Der Trend hin zu digitalen Angeboten hat sich laut einer Studie der Bitkom während der Krise auch in der Lebensmittelbranche verfestigt. Drei von zehn Verbrauchern bestellten im ersten halben Jahr der Pandemie Lebensmittel online. Dies entspricht einer Verdopplung der Online-Einkäufe in der Branche. Ganze zehn Prozent aller Befragten gaben zudem an, direkt bei Erzeugern bestellt zu haben. Grund für die schwindende Lust am Supermarkt war laut Angaben der Kunden vor allem die mangelhafte Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln. Nach der Pandemie werden diese Argumente zunehmend entfallen. Nichtsdestotrotz meinen Experten, die Kundschaft hätte sich in all den Monaten an den Lebensmitteleinkauf von zu Hause aus gewöhnt. Dass sich der Trend wieder umkehren könnte, hält ein Großteil für ausgeschlossen.

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